Isabelle Fessler

Gestaltungspädagogin iac


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Isabelle Fesslers beruflicher Weg hielt etliche Wendungen und Überraschungen bereit. Via Fotografie, Gastronomie, Jugendarbeit und Schauspielschule führte er sie zur Gestaltungspädagogik. Angekommen ist Isabelle Fessler heute als Werklehrerin für Kinder und Kursleiterin für Erwachsene. Und angekommen ist sie auch beim Material: Die Keramik ist zur Leidenschaft und zum Inhalt ihres Tuns geworden.




Vor der Ausbildung am iac


Welche Aus- und Weiterbildungen hast du abgeschlossen?
Ich habe einen Zickzackweg hinter mir, denn ich konnte mich lange nicht richtig entscheiden. Nach der Schule absolvierte ich den F+F Vorkurs, dann war ich kurz in der Tagesschule der F+F, aber ich war etwas orientierungslos. Viel besser wusste ich jeweils, was ich nicht wollte. Das Gestalterische war mir immer wichtig. Ich begann dann – nach vielen Stationen – eine Lehre als Fotografin. Später wechselte ich ins Gastgewerbe, arbeitete mehrere Jahre im Service und machte das Wirtepatent. Der soziale Aspekt war neben dem Gestalterischen immer sehr zentral für mich. Das war der Grund, weshalb ich nach meinen Jahren in der Gastronomie als Quereinsteigerin in die Jugendarbeit «schlitterte». Da arbeitete ich zehn Jahre – aber auch die Jugendarbeit deckte nur einen Teil meiner Bedürfnisse ab. Darauf besuchte ich zwei Jahre lang die Schauspielschule – ich war immer noch auf der Suche. Ein erstes Mal richtig angekommen bin ich mit der Geburt meiner Tochter. Da spürte ich: Hier gehöre ich hin und das ist gut so. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen offiziellen Abschluss.




«Ich dachte immer:
Ich mache alles mit –
aber wenn es dann
um das Töpfern geht,
dann komme ich nicht!»





Wie bist du auf deiner Suche auf die Gestaltungspädagogik gestossen?
Irgendwann merkte ich: Die Verbindung des Sozialen mit dem Gestalterischen – das wär‘s! So kam die Idee auf: Werklehrerin wäre eigentlich cool. Aber die Werklehrerausbildung gab es nicht mehr. Eine Nachbarin besuchte bereits das iac und machte mich auf die Gestaltungspädagogik aufmerksam.

Was waren die wichtigsten Argumente, dass du dich definitiv für die Ausbildung angemeldet hast?
Ich hatte grosse Lust, wieder in die Schule zu gehen und Neues kennenzulernen. Und ich merkte schnell: Das wäre eine machbare Ausbildung, sowohl finanziell als auch von der zeitlichen Belastung her. So stieg ich in die Gestaltungspädagogik ein.



Während der Ausbildung


Die ersten zwei Jahre Gestaltungspädagogik stehen unter dem Titel: Grundlagen Werkstoffe und Gestaltung. Wie hast du diese zwei Jahre erlebt, wo hast du profitiert?
Für mich waren die beiden Jahre wunderbar. Ich liebte diesen Freiraum, konnte eigene Projekte umsetzen, die verschiedenen Werkstoffe kennenlernen und die Techniken. Ich bekam auch die Freiheit, am Eigenen zu arbeiten. Auf der handwerklichen Ebene konnte ich sehr profitieren, was mir bis heute hilft. Das ist grossartig. Ich bin eine Person, die etwas schnell umsetzen kann. Mit den verschiedenen Expert*innen kam ich voll auf meine Rechnung. Ich hatte einen Riesenhunger auf Lernen, auf Wissen und andere Sichtweisen.

Wie hast du dich in der Klasse eingelebt?
In der Klasse fühlte ich mich nicht richtig wohl. Mir fehlte der künstlerische Aspekt. Ich verfolgte deshalb meine Interessen einfach für mich und konnte meinen Weg gehen. Die Klassenleitung unterstützte mich dabei.

Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich dachte immer: Ich mache alles mit – aber wenn es dann um das Töpfern geht, dann komme ich nicht! Allein die Vorstellung fand ich schlimm. Dann sagte ich mir: Das kannst du nicht machen, schliesslich bezahlst du ja auch dafür. Wir begannen ganz einfach, mit Daumenschalen zum Beispiel. Bald fand ich das Ganze gar nicht mehr so doof. Die Haptik sprach mich an und plötzlich verliebte ich mich in das Porzellan. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte mich eigentlich alles interessiert, ich konnte mich aber nicht festlegen. Von da weg gab es nur noch das Porzellan für mich!

Konntest du auch vom Lehrgang SVEB profitieren?
Ja, der SVEB war super für mich. Die Leiterin war der Hammer. Sie gestaltete den Unterricht wirklich erfrischend, war zugleich auch streng und hatte eine klare Linie. Das war eine gute Ergänzung und hatte später einen entscheidenden Einfluss auf meine Anstellung als Werklehrerin an der Montessori-Schule.

Warum hast du dich für das Diplomjahr entschieden?
Ich fand es toll, ein Jahr Zeit zu haben, um ein Projekt auf die Beine zu stellen – und das dann noch verbunden mit einer Ausstellung, wo man das Projekt auch zeigen kann!

Wie bist du auf das Thema deiner Diplomarbeit gekommen?
Mich beschäftigte die Frage: Kann ich etwas darstellen, das ich nicht erklären kann – irgendein Gefühl? Bei meiner Recherche stiess ich auf die Unterwasserwelt, auf Sedimente, Ablagerungen, Absetzungen… und kam zur Frage: Stell dir vor, ein Objekt fällt ins Wasser, sinkt und trifft auf dem Meeresboden auf.

Was passiert genau in diesem Moment?
Diese Vorstellung löste in mir Gefühle aus, etwas wie Wehmut, etwas unglaublich Sinnliches, aber auch etwas Trauriges, etwas ganz Uraltes. Ich denke dann auch an Schiffswracks. Es passiert nichts und doch passiert etwas. Ich hatte wahnsinnig Lust, dem nachzugehen und herauszufinden: Kann man das darstellen, in einem Objekt ausdrücken?

Wie hast du diese Idee schliesslich umgesetzt?
Irgendwann entwickelten sich diese Tonscheiben aus Porzellan. Die habe ich alle auf dem Boden ausgelegt. Ich weiss nicht, was die Besucher*innen an der Diplomausstellung empfanden, aber es gibt bis heute Leute, die stark auf diese Scheiben reagieren. Sie scheinen innerlich etwas auszulösen.

Wie ging es dir dabei?
ch habe es sehr genossen, mich wirklich auf diese Thematik einzulassen und niemand sagte mir, was richtig oder falsch ist. Mit meiner Mentorin hatte ich ein Riesenglück. Sie begleitete mich durch das Projekt und liess mir gleichzeitig meine Freiheit. Bis heute blieb ein loser Kontakt zu meiner Mentorin, den ich sehr schätze.


Nach der Ausbildung am iac


Wie bist du zu einer Arbeitsstelle im Bereich Gestaltung gekommen?
Ich habe mich blind beworben und etwa 5-6 Bewerbungen im Bereich Behindertenbetreuung abgeschickt. Ich traf auf Interesse, bekam keine Absage. Da und dort wurde ich auch zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Schliesslich konnte ich aus zwei Angeboten auswählen. Ich entschied mich für das Wohnheim Zürichberg. Angestellt wurde ich als Gestaltungsagogin zu 80 %. Wie wurden dein GP-Diplom und das SVEB-Zertifikat im Bewerbungsverfahren von den HR-Verantwortlichen gewichtet? Was mir immer zugute kommt ist, dass ich schon viel Verschiedenes gemacht habe. Der Abschluss in der Gestaltungspädagogik war ausschlaggebend. Er war das Ticket für den Einstieg in die gestalterische Arbeitswelt.




«Der Abschluss in der
Gestaltungspädagogik
war ausschlaggebend.
Er war das Ticket für
den Einstieg in die
gestalterische Arbeitswelt.»





Wie war dein Start?
Die Leiterin des Wohnheims gab mir den Auftrag, ein Atelier aufzubauen für ältere Menschen mit einer geistigen Behinderung. Diese Menschen konnten nur noch teilweise auswärts arbeiten und brauchten eine Tagesstruktur. Ich dachte zuerst: Mein Gott – ich habe keine Ahnung! Aber momoll, das kann ich mir vorstellen! Ich habe dann das Atelier im Wohnheim Zürichberg aufgebaut und insgesamt 10 Jahre da gearbeitet.

Wie bist du zu Schmuck gekommen?
Parallel zur Tätigkeit im Wohnheim entwickelte ich meine eigenen Arbeiten weiter. Irgendwann hatte ich keine Zeit und keinen Platz mehr für grosse Objekte. Ich merkte: Ich will weiter, aber wie und wo? Ich richtete mich ganz klein in einem Zimmer ein und begann auch ganz klein zu arbeiten – so entstand mein Schmuck. Du hattest schnell Erfolg damit Der Schmuck entwickelte sich, wurde mehr und grösser. Ich konnte in der Schmuckgalerie «friends of carlotta» einsteigen und an diversen Designmessen wie Blickfang und Designgut ausstellen. Verkauft habe ich nicht so viel, aber das Feedback war super.

Wie kam es, dass du dich selbstständig gemacht hast?
Der Schmuck wurde immer wichtiger für mich und ich hatte das Glück, eine Weile als Selbstständige schaffen zu können. 2014 eröffnete ich mein Atelier an der Unteren Zäune im Zürcher Niederdorf.

Wie lief das Geschäft?
Ich hatte eine gute Zeit, doch das Geschäft lief nicht so leicht. Ich merkte auch, dass ich nicht die begabteste Verkäuferin bin. Der Verkauf löste bei mir nicht die erwartete Freude aus. Ich dachte vorher, es wäre ein tolles Glücksgefühl, ein Collier für tausend Franken verkaufen zu können – aber ich empfand es dann gar nicht so. Oft wollte ich die Stücke gar nicht wirklich hergeben.

Wie bist du mit dieser Situation umgegangen?
Ich war immer wieder guten Mutes und dachte: Es ist schon etwas dran an dem, was ich mache, aber ich brauche daneben einen Job. In dieser Phase der Selbstständigkeit merkte ich aber auch, dass ich das nicht ewig machen könnte – zu sehr fehlte mir der Austausch, das Soziale.

Du bist dann noch einmal ins Atelier des Wohnheims zurückgekehrt?
Das Jahr als Selbstständige im eigenen Atelier genoss ich in vollen Zügen. Dann kam die Existenzfrage wieder aufs Tapet und ich entschloss mich, meine Arbeit im Wohnheim Zürichberg fortzusetzen. Bald wurde mir aber klar, dass ich da abgeschlossen hatte, dass ich da nicht mehr herausgefordert wurde.

Wie hast du dann deine aktuelle Arbeitsstelle gefunden?
Ich begab mich erneut auf die Suche und zog noch einmal alle Optionen bis hin zum Kochen in Betracht. Da stolperte ich über das Inserat: Handarbeits- und Werklehrer:in gesucht an der Montessori Schule in Zürich zu 50%. Ich bewarb mich, wurde eingeladen und bekam die Stelle.

Wie bist du in die neue Arbeit eingestiegen?
Das erste Jahr war unglaublich streng. Ich dachte jeden Tag: Nein, das schaff‘ ich nicht…! Die Herausforderung war riesig. Ich hatte nun einen Lehrplan zu erfüllen und musste mein pädagogisches und technisches Know-how extrem ausbauen.




«Unterdessen bin ich
sattelfest. Ich bin auch
so frei, dass ich sagen
kann: Wisstihr was –
ich habe das noch nie
gemacht – wir finden
jetzt zu­sammen heraus,
wie das geht!» 





Ist das heute noch so?
Unterdessen bin ich sattelfest. Ich bin auch so frei, dass ich sagen kann: Wisst ihr was – ich habe das noch nie gemacht – wir finden jetzt zusammen heraus, wie das geht!» Während drei Jahren leitete ich einen zusätzlichen Kurs an der Schule. Die Schüler:innen kamen mit ihren Wünschen zu mir und wir setzten sie zusammen um. Dieses ‹freie Werken›, im Gegensatz zum Schulalltag, ist eine tolle Herausforderung für die Schüler*innen und auch für mich. Es ist sehr «montessorianisch». Die Arbeit mit den Kindern gefällt mir nach wie vor gut. Der Wunsch, mit Erwachsenen zusammenzuarbeiten ist aber immer noch sehr gross. So habe ich im Oktober 2020 damit begonnen, Keramikkurse für Erwachsene im Gemeinschaftszentrum Riesbach in Zürich anzubieten. Das lief so gut, dass ich mir im Sommer 2021 ein eigenes Kurslokal suchte. Seither gebe ich da wöchentlich Abendkurse in Keramik und Giessen von Gipsformen. Ausserdem biete ich Werkpässe an, mit welchen zum Beispiel ehemalige Kursteilnehmende selbstständig in der Werkstatt arbeiten können.

Wohin könnte deine berufliche Entwicklung noch gehen?
Ich bin mit meiner Situation im Moment sehr zufrieden. Mein Traum bleibt die gestalterische Arbeit mit Erwachsenen. Ausbilderin in der Gestaltungspädagogik am iac zu sein – das wäre die Kirsche auf der Torte.

Kannst du noch etwas zu deiner persönlichen Entwicklung sagen?
Das iac war für mich persönlich ein Wendepunkt. Hier kam ein Stein ins Rollen und ich habe viel erlebt, auch viele Höhen und Tiefen. Ich werde wohl weiterhin die Türen für Neues offenhalten. Es gibt so vieles zu entdecken. Ich wäre wohl nicht ich, wenn mich meine Neugier nicht immer wieder zu neuen Herausforderungen leiten würde.


www.keramikrigiplatz.ch